23. Dezember
Emily Dickinson, Gedichte (Fischer Taschenbibliothek)
Eigentlich bin ich kein soooo großer Fan von Gedichten. Ich lese eher Romane, Biographien, Sachbücher, Bildbände, Kinderbücher… und zu Gedichten greife ich selten. Aber dann merke ich immer sofort, wie sich Türen in meinem Kopf öffnen, an denen ich sonst beim Lesen immer vorbeirase. Gedichte zwingen uns dazu, innezuhalten, und den Bildern Platz zu verschaffen, die beim Lesen entstehen. Emily Dickinsons Gedichte in diesem handlichen Büchlein, das sogar in die Hosentasche passt, wurden von Joyce Carol Oates ausgewählt, eine Autorin, die ich auch sehr mag. Wenn man bedenkt, dass Emily Dickinson zwischen 1830 und 1886 zurückgezogen in Massachusetts lebte, und ihre Lebenswelt doch sehr anders war als unsere heute, dann ist es doch faszinierend, dass sie uns mit ihren Gedichten so berührt. Aber das ist wohl dasselbe Phänomen wie bei griechischen Tragödien: Die existenziellen Gefühle erlebt der Mensch offenbar immer ähnlich. Oder ist es umgekehrt – entdecken wir einfach nur uns selbst, weil wir das wünschen?
Wasser, erfährt man durch Durst.
Land – wenn man Meere bereist.
Wonne – durch Weh –
Frieden, durch Reden vom Krieg –
Liebe, durchs Bild, das blieb –
Vögel, durch Schnee.
(Emily Dickinson)
#MarensAdventskalender2021
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