8. Dezember: Stephan Abarbanell, 10 Uhr 50, Grunewald (Blessing Verlag)
Die Autofahrt von der Villa im Grunewald in Richtung Ministerium dauert nur wenige Minuten, dann wird Außenminister Walther Rathenau von einem rechtsnationalen Attentäter in seinem offenen Wagen erschossen. Doch die Fahrt wird von Stefan Abarbanell zu einem spannenden Roman gedehnt, um Rathenaus Charakter und Seele auszuloten. Walther Rathenau hatte viele Seiten: Er war ein Schöngeist und Literat, ein brillanter Redner und Zeichner. Aber er war auch ein zutiefst unglücklicher Sohn und ein einsamer Liebender. In Erinnerungen und Rückblenden, die sich wie Filmszenen aneinanderreihen, deckt der Autor das Innenleben Rathenaus auf, ohne ihn zu entblößen. Rathenaus Zweifel, ob er der jungen Weimarer Republik in Genua und Rapallo die richtige Richtung gegeben hat, seine Sehnsucht, für Frieden zu sorgen, seine Visionen von einer Gesellschaft ohne Antisemitismus – all das gehört zum inneren Kosmos dieses schillernden Politikers. Rathenau war kein offenherziger Mensch und der Autor lässt ihm seine Geheimnisse, was mir sehr gut gefallen hat.
#marensadventskalender2023
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