3. Dezember
Shelly Kupferberg
Isidor. Ein jüdisches Leben (Diogenes)
Shelly Kupferbergs Roman ist eine sehr persönliche Familiengeschichte. Die Berliner Autorin erzählt von ihrem Urgroßonkel Isidor Geller, einem jüdischen Emporkömmling aus Galizien, der es in der K&K-Monarchie bis zum Kommerzialrat brachte. Isidor war äußerst vermögend und in den 1920er- und 30er-Jahren ein bekannter juristischer und ökonomischer Berater der österreichischen Regierung. Die Crème de la Crème ging in seiner Wiener Wohnung ein und aus – oder eher die, die sich dafür hielten. Denn niemand trat für Isidor ein, als die Nazis mit dem „Anschluss“ die Macht übernahmen, und es waren seine Angestellten, die ihn ans Messer lieferten. Bis zur Verhaftung hielt sich Isidor für unverwundbar. Von dem, was er dann erlebte, konnte er sich nicht mehr erholen.
Shelly Kupferberg zieht die Familienfäden, die bis zu ihr selbst führen, immer wieder einmal stramm, bis es schmerzt. Ihr Großvater Walter Grab hatte 1956 die Wohnung in Wien, in der er aufgewachsen war, besucht. Die Klingelschilder des Hauses verrieten ihm, dass zwar niemand der ehemaligen jüdischen Bewohner dort gemeldet war – wohl aber die Familie des Hauswarts noch dort lebte. Die Frau des Hauswarts öffnete und erkannte ihn, schlug ihm aber die Tür vor der Nase zu. Walter erkannte durch den Türspalt noch gerade, dass sich Möbel seiner Eltern in der Wohnung befanden.
Die Autorin kommentierte das in einem Interview: „Da war ihm klar: Außer Schmerz wirst du in Wien nichts finden. Er blieb in Israel, um sein Leben dort zu meistern. Hier ließ sich an nichts anknüpfen.“
#MarensAdventskalender2022
Schreibe einen Kommentar