23. Dezember
George Eliot
Middlemarch
Aus dem Englischen von Rainer Zerbst (dtv)
Middlemarch ist eine kleine Stadt in England, die ein ganzes Universum an menschlichen Charakteren birgt: Die Bösen und die Guten, die Unzufriedenen, die Gierigen, die Eitlen, die Sanftmütigen, die Erneuerer, die Bewahrer und die starrsinnigen Verweigerer. George Eliot hat den Roman wie einen kunstvollen Teppich gewoben, in dem sie die Lebenswege ihrer Protagonisten locker miteinander verknotet und das in einer Zeit des Umbruchs: Der ehrgeizige Arzt will ein modernes Krankenhaus aufbauen, die bildungshungrige Gutsbesitzertochter möchte einfach nur helfen, der verkannte Künstler sucht nach einem Weg, der Welt seinen Stempel aufzudrücken, der unglückliche Junker liebt die standhafte Dienstmagd und die eitle Kaufmannstochter will einfach nur glänzen. Jeder in dieser überschaubaren Welt kennt jeden, jeder wird von der Gesellschaft beobachtet und kontrolliert. Wer versucht, aus den Konventionen auszubrechen, wird ausgestoßen. Der Roman ist eine Studie über menschliche Eitelkeiten, Fehleinschätzungen, Irrwege. Aber er erzählt auch vom Traum, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und all das ist geschildert mit großer Liebe zu Details und mit sehr viel Ironie.
Middlemarch gehört schon lange zu meinen Lieblingsbüchern, und ich mag meine schöne alte Manesse-Ausgabe mit den dünnen Seiten. Als ich vor einiger Zeit las, Middlemarch sei sehr gut neu übersetzt, dachte ich, es sei vielleicht an der Zeit, das Buch noch einmal zu lesen und zwar in der neuen Übersetzung.
P.S. Für Leute mit wenig Zeit: Es gibt auch eine sehr schöne BBC-Verfilmung
#MarensAdventskalender2022
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