19. Dezember.
Elisabeth Strout: Mit Blick aufs Meer
Klarer Fall: Das Buch steckt nicht im richtigen Cover. In Verbindung mit dem Titel weckt es völlig falsche Erwartungen. Vor allem, wenn man die Autorin nicht kennt und den Hinweis auf den Pulitzerpreis nicht ernst nimmt. Ich habe es gekauft, weil es mir jemand SEHR ans Herz gelegt hat und ich dachte, so ein leichter, netter Schmöker zwischendurch könnte mir guttun. Daher kippte ich fast vom Sofa, als ich merkte, wie genial dieses Buch ist! Es nennt sich Roman, besteht aber aus lauter Erzählungen, die miteinander verknüpft sind. Zum einen geht es immer um Bewohner*innen der kleinen Küstenstadt Crosby in Maine. Zum anderen ist Olive Kitteridge, pensionierte Mathematiklehrerin und Titelgeberin der Originalausgabe, die Verbindungsfrau zwischen den Menschen und ihren Geschichten. Es sind mutige, feige, armselige, erwartungsvolle und enttäuschte Menschen, die alle versuchen, das Beste aus ihrem Leben zu machen, was natürlich nicht immer gelingt. Olive Kitteridge kennt sie alle und hat über jeden von ihnen eine dezidierte Meinung. Elisabeth Strout blättert eine Lebensgeschichte nach der anderen auf und zeigt dabei, dass es eine Illusion ist, zu denken, wir wüssten die Wahrheit über unsere Nachbarn, Ehemänner oder Freunde. Wir sehen die Menschen aus verschiedenen Perspektiven und nur so nähert man sich dem, was man vielleicht Wahrheit nennen könnte. Auch Olive Kitteridges Bild von sich selbst wird erschüttert.
Ich habe eine Autorin entdeckt, von der ich unbedingt mehr lesen will.
#MarensAdventskalender2020
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