18. Dezember.
Ilias und die Odyssee. Nacherzählt von Walter Jens
An diesem Buch konnte ich nicht vorbeigehen, weil sein Anblick jede Menge Erinnerungen auslöste. Mein altes Kinderzimmer, die kratzige Wolldecke auf dem Bett, ich darauf … lesend … an der Wand ein Tischchen mit dem von meinem Bruder großzügig an mich vererbten „Mr. Hit“, auf dem sich die Europa-Schallplatte von den „Irrfahrten des Odysseus“ drehte und die Stimme von Heinz Paetsch höre ich auch, wenn ich an dieses Buch denke.
Gute Geschichten drehen sich um Liebe, Leid, Angst, Freude, Hass, Einsamkeit, Trauer und so weiter. Wer die Ilias und die Odyssee kennt, weiß, wie Menschen ticken. Außerdem lernt man dort Wörter wie „Gestade“. Ist das Literatur für Kinder? Astrid Lindgren hat auf die Frage, ob Mio mein Mio zu brutal für Kinder sei, gesagt, man habe Kindern seit Menschengedenken Märchen erzählt, die von Gut und Böse handelten. Und von den frühen Märchenerzählern des Orients bis zu den isländischen Sagenschreibern habe niemand gemeint, man müsse Kinder vor grausamen Geschichten schützen. Sie finde es eher traurig, dass man die Kinder heute mit harmlosen Geschichten abspeisen wolle: „Arme Kinder! Ich finde, daß ihre Geschichten regelrecht erstickt sind unter Eichhörnchen, die reden, aber nichts von sich geben können, was den Leser schaudern, lachen und weinen läßt! Das Lesen sollte Kindern nicht nur Vergnügen bereiten, sondern es sollte sie ganz allgemein in Erregung versetzen. Denn sie brauchen die Aufregung, und wenn sie weder übersensibel noch krank sind, verstört sie eine solche Lektüre auch nicht, sondern läßt sie friedlich und ohne Alpträume schlafen.“
Schenkt Euren Kindern gute Kinder- und Jugendbücher! Bücher, die liebevoll illustriert sind. Viele der Bilder, die sich in unseren Köpfen formen, wenn wir Kinder sind, bleiben dort ein Leben lang haften. Ich weiß bis heute, wie das Schloß von Petrosilius Zwackelmann aussieht oder Frau Mahlzahn oder „Leberwurst“, der Freund von Max (aus „Max und die Männchen“).
Deshalb: Schenkt Euren Kindern nicht nur viele gute Bücher, sondern – wenn ihr sie nicht selbst schreibt, wie ein Teil der Menschen, die hier mitliest, dann lest sie vor allem auch selbst, und: Lest sie vor!
#MarensAdventskalender2020
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