15. Dezember.
Marco Balzano: Ich bleibe hier
Südtirol ist für mich ein weitgehend unbekanntes Terrain, irgendwo dort in der Nähe war ich wohl mal Skilaufen, aber ich erinnere mich nur noch an Schnee und eiskalte Füße.
Seit meiner Beschäftigung mit Oswald von Wolkenstein im Sommer 2020 für ein ZeitZeichen ist es eine Region, die mich anzieht. In der digitalen Welt stieß ich auf Susanne Gurschler, die gleich mehrere 111-Orte Bücher über Tirol geschrieben hat. Wir haben Bücher getauscht und nun konnte ich mich schon etwas einlesen. Und dann wurde ich dann auf „Ich bleibe hier“ aufmerksam.
Das Buch kreuzte meinen Weg in Form eines Live-Interviews zwischen Wibke Ladwig, dem Autor Marco Balzano und seiner deutschen Lektorin Silvia Zanovello. Nachhören und anschauen kann man es hier: https://youtu.be/2Wg-lWcLu5U
„Ich bleibe hier“ erzählt die Geschichte der Lehrerin Trine und ihrer Familie aus Graun. Zuerst kamen die italienischen Faschisten, dann die deutschen Faschisten. Und als sei das nicht genug Elend zu verkraften, wurde nach dem Krieg auch noch ein Staudamm gebaut, der das Dorf Graun unter sich begrub und aus dessen Tiefe bis heute der Kirchturm so unfassbar unheimlich hervorragt. Bolzano erzählt die Geschichte einer tiefen Wunde und er macht das sehr gut und bewegend, wagt es, hart an die Schmerzgrenze zu gehen. Menschen in Grenzregionen sind ja heute oft so wunderbar zwei- oder dreisprachig, jonglieren zwischen den Kulturen, kennen sich hüben und drüben aus. Aber wenn man in die Geschichte schaut, dann gibt es auch die schwer geschundenen Familien wie die von Trine, hin- und hergezerrt, zwischen Staaten, denen es nie um die Menschen geht, sondern nur um Einfluss, Macht und Abgrenzung. Warum bleiben Menschen bloß dort wohnen, wo ihnen nichts als Schrecken widerfährt? Weil es ihr Zuhause ist.
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