Meine nächste Biographie schreibe ich über Johannes Gutenberg. Das ist der Mann, dem wir die gedruckten Bücher verdanken. Er war ein großartiger Erfinder, ein Visionär und ein leidenschaftlicher Unternehmer. Also eine Art Steve Jobs der Renaissance.
Das 15. Jahrhundert hat mich schon lange beschäftigt und in letzter Zeit habe ich auch einige ZeitZeichen über Menschen des 15. Jahrhunderts geschrieben. Das war eine Zeit des Umbruchs und Aufbruchs. Religiöse Fanatiker unterwegs, Endzeitstimmung, Rückbesinnung und Humanismus.
Und jetzt also Gutenberg. Über den wir fast gar nichts wissen. Wir kennen weder sein Geburtsdatum noch gibt es persönliche Texte von ihm. Nur eine Handvoll Daten aus seinem Leben sind bekannt und die Quellen, die ihn nennen, stammen fast alle aus Rechtsstreitigkeiten. Für mich als Biographin ist das kniffelig. Wie komme ich diesem Mann näher, wie schaue ich in seinen Kopf hinein? Wie erkenne ich seine Gefühle? Geht das überhaupt?
Doch dann ist da sein Werk, dieses Unternehmen Buchdruck. Jahrelang war er damit beschäftigt. Er musste alles neu erfinden, die Technik, die Werkzeuge, die Namen für die Geräte, für die Handgriffe. Was für ein Geniestreich! Was für ein Durchhaltevermögen. Und kaum konnte er drucken, da hat er auch schon sein Meisterstück gefertigt: 180 Exemplare der Bibel, die so perfekt gedruckt waren, dass man sie heute noch bestaunt. Gutenberg wollte etwas Großes zu schaffen. Aber: Er wollte vor allem auch Geld damit verdienen. Gutenberg wollte Erfolg haben, nicht die Welt verbessern.
Inzwischen habe ich viele Bücher, wissenschaftliche Aufsätze und Artikel über ihn gelesen und manchmal habe ich schon daran gezweifelt, ob sie mich packen würde, die Leidenschaft für Johannes Gutenberg. Immer wieder stand da, was wir alles nicht wissen und wohl auch nie mehr erfahren können. Manche Autoren diskutieren seitenlang die Theorien der KollegInnen darüber, was Gutenberg vielleicht in diesem und jenem Jahr gemacht haben könnte, warum sie das glauben oder warum sie diese Theorie vehement ablehnen. Das ist manchmal spannend, aber nicht immer. Und jede Biographin, jeder Biograph hat die Lücken, die es in Gutenbergs Lebensgeschichte gibt, anders gefüllt: Exkurse, Hintergrundinformationen, Randbemerkungen.
Und dann ist er doch plötzlich da, der Moment, den es irgendwann geben muss, sonst kann ich gar keine Biographie schreiben. Der Moment, in dem ich sage: ok, jetzt bin ich dran. Es fühlt sich an, wie die Vorfreude auf eine große Reise. Dann bedanke ich mich in Gedanken bei allen fleißigen BiographInnen, die vor mir über Gutenberg geschrieben haben. Ich schiebe ihre Bücher zur Seite und öffne ein neues Dokument auf dem Computer. Jetzt habe ich also einen neuen Begleiter für die nächsten Monate. Jemand, dem ich folge, den ich beobachte, über den ich nachgrüble, von dem ich vielleicht sogar mal träume. Darf ich vorstellen? Johannes Gutenberg, Erfinder des Buchdrucks. Wenn Ihr Fragen an ihn habt: Schickt sie mir!
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