Sophia Bauer
26 Vogelstimmen
Als Historikerin befasse ich mich vor allem mit Menschen, die nicht mehr leben. Daher war es eine passende Idee von Freunden, mir das Buch „26 Vogelstimmen“ zu schenken. Darin sind die Rufe von Vögeln festgehalten, die seit 1950 nicht mehr in Deutschland leben. Jede Seite führt den vollständigen Namen eines bestimmten Vogels in Deutsch und Latein auf und dazu seinen „Ruf“. Das ist nichts anderes, als der rührende Versuch, die Sprache der Vögel in unsere Menschensprache zu transkribieren. So ruft die Rostschwanzdrossel zum Beispiel „quäwäg“. Mehr steht da nicht, die restliche weiße Fläche der Seite verweist auf das, was wir eben nicht mehr erleben: Wir sehen den Vogel nicht, er baut hier keine Nester, legt keine Eier, sucht keine Würmer oder Käfer und füttert keine Jungen.
„26 Vogelstimmen“ ist ein Kunstprojekt, entstanden an der KHM, der Kölner Kunsthochschule für Medien. Der schmale Band erzählt von einem Verlust, aber er zeigt auch, wie kreativ Menschen dabei sind, aus der Erinnerung Kraft zu schöpfen, verlorengegangenen Lebewesen einen Platz zu geben und zu versuchen, nichtsprachliche Phänomene doch irgendwie in unsere Sprache zu übersetzen.
#marensbuchadvent
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